Ort: Potsdam
Zeitraum: 03.11. bis 04.11.2023
Seit der Antike hat es nicht an Versuchen gefehlt, den Modalitäten von Wissen und Wissensvermittlung ethische Konzepte zu unterlegen, die sich mit unterschiedlicher Gewichtung auf philosophische, theologische und damit zugleich politisch-ideologische Grundlagen stützen. Auch daher ist die Geschichte des europäischen Denkens seit der Aufklärung immer wieder als eine der Befreiung von externen Beschränkungen erzählt worden, die, so die utopische Vorstellung Kants und der nachfolgenden Kunstperiode, über eine vernunftgesteuerte Selbstentfaltung des Individuums zur Verwirklichung einer egalitären Weltgemeinschaft führen sollte. Spätestens im Zeitalter des Positivismus sind dergleichen Ideale einem hegemonialen technischen Fortschrittsglauben geopfert worden, dem es gleichwohl an Rechtfertigungsversuchen nicht gefehlt hat. In den Naturwissenschaften sind aktuelle Debatten um die gesellschaftliche Verantwortung heute zumeist von pragmatischen, technischen und anwendungsorientierten Argumenten bestimmt, während Geistes- und Kulturwissenschaften ihre Existenzberechtigung vorwiegend in einem Wissenstransfer erkennen, der Medien, Sozialverbänden und bildungspolitischen Institutionen sachgerecht zuarbeitet. Auf der 11. Jahrestagung des IDK wird aus der Sicht unterschiedlicher Disziplinen und Wissenschaftskulturen nach dem Status und dem Selbstverständnis wissenschaftlicher Ethiken gefragt. Zu erkunden sind die ethischen Grundlagen, die bewusst oder unbewusst Forschung und Lehre mitbestimmen. Darüber hinaus werden epistemologische Wechselwirkungen zwischen Wissensdispositiven und ethisch orientierter Wissenschaftskritik zur Diskussion stehen.
Mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit haben sich während der letzten beiden Jahrzehnte an den Universitäten neuartige fach- und institutionsübergreifende Kommunikationsformen etabliert, die Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit und insbesondere den politischen Entscheidungsträgern nahebringen sollen. Zur Realisierung umfangreicher Wissenschaftsprojekte und teilweise sogar zur Rechtfertigung von Forschungseinrichtungen oder Ausbildungsgängen sind, häufig mehr nolens als volens, spezifische Überzeugungsstrategien entwickelt worden, die teils gängigen PR-Maßnahmen abgeschaut sind, teils auch eigene kommunikationsästhetische Formen ausgebildet haben. In den bekannten Kontroversen um die damit verbundene Reduktion komplexer Sachverhalte wird nicht selten übersehen, dass popularisierende Vermittlung von Wissenschaft seit jeher die europäische Epistemologie begleitet und mitbestimmt hat. Die zahlreichen Versuche einer enzyklopädischen Erfassung der gesamten Wissenskultur schon seit der Antike, die Gründung staatlich geschützter (und kontrollierter) Akademien im Zeitalter der Aufklärung und die Ökonomisierung der Universitäten in der Gegenwart sind nur einige Orientierungspunkte für die Beschreibung der brisanten Kontakt- und Konfliktzonen zwischen Forschung und öffentlichem Raum und ihres spezifischen Wissenstransfers. Wie haben sich die Wechselbeziehungen zwischen Wissenschaft (in ihren verschiedenartigen Ausprägungen) und einer (im weitesten Sinn) politischen Öffentlichkeit im Verlauf der europäischen Wissenschaftsgeschichte gestaltet? Welche Formen wissenschaftspolitischer Rhetorik und/ oder populärer Persuasion haben sich dabei durchsetzen und etablieren können? Welche Optionen lassen sich ggf. daraus ableiten? Die 5. Jahrestagung des IDK wird sich mit diesen und weiterführenden Fragen beschäftigen.